Von der landeseigenen Forschungs-GmbH RLP AgroScience in Rheinland-Pfalz wurden in den vergangenen Jahren Methoden entwickelt und implementiert, die durch Schritte der Automatisierung bestehende Abläufe in der öffentlichen Verwaltung effizienter gestalten und an die Möglichkeiten geodatenbasierter Technik anpassen. Die entwickelten Methoden dienen als Alternative zur zeit- und kostenintensiven manuellen Erfassung von dreidimensionalen Vegetationsstrukturen in der Landschaft und entschärfen an geeigneter Stelle der Workflows den Faktor der menschlichen Subjektivität ("Augenmaß") durch den Einsatz einer objektiveren, geodatenbasierten Methode der Landschaftsanalyse. Auf Basis vorhandener Geodaten werden dreidimensionale Vegetationsstrukturen automatisiert erfasst und für verschiedene Fachanwendungen klassifiziert. Dazu zählt die Methode ALEK (Automatisierte LandschaftsElemente Klassifikation) sowie das automatisierte Monitoring von Verbuschungsanteilen auf bestimmten NATURA-2000-Habitaten im Rahmen der landesweiten Biotopkartierung.
Das Projekt sollte eine vollständige Prozesskette aus automatisierten Arbeitsschritten in Kombination mit einem hochentwickelten Erfassungs- und Klassifikationsalgorithmus liefern. Folgende Kriterien werden dabei erfüllt:
- schnelle, landesweite Erfassung von Vegetation & Klassifikation von dreidimensionalen Vegetationsstrukturen und Landschaftselementen
- Verwendung bereits existierender, offizieller Daten (keine zusätzlichen Kosten)
- Generierung von vereinheitlichten, standardisierten und objektiven Informationen
- Generierung reproduzierbarer Flächenabgrenzungen
Zudem sollte eine Möglichkeit für schnelle und kostengünstige Updates (alle 2 Jahre), die automatisierte Dokumentation von Veränderungen (Change Detection) und eine leichte Anpassbarkeit an zukünftige Änderungen in Definitionen der Landschaftselemente (LE) geschaffen werden.
Für die Erfassung und Klassifikation wurden zwei Eigenschaften aufragender Vegetation als entscheidend identifiziert:
- Die signifikante Höhe über dem Grund, die eine klare Identifikation und Ab-grenzung von aufragenden Strukturen in der Landschaft ermöglicht.
- Das durch die Photosynthese der Pflanzen veränderte Spektrum des reflektierten Sonnenlichts, das die Vegetation von anderen aufragenden Strukturen (z.B. Hausdächern) unterscheidbar macht.
Daher wurden als primäre Datengrundlage ein normalisiertes digitales Geländemodell (nDOM) und digitale 4-Kanal-Orthofotos (RGB NIR) gewählt. Die Orthofotos dienen als Ausgangspunkt für die Berechnung des Vegetationsindex Normalized Differenced Vegetation Index (NDVI), der die Absorptions- und Reflektionseigenschaften von chlorophyllhaltigen Pflanzen wiedergibt. Sekundär wurden als Nutzungsreferenz und zur expliziten Detektion der beihilfefähigen Flächen Daten des Liegenschaftskatasters eingebunden.
Um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen, verbinden beide Methoden in den Prozessketten Arbeitsschritte aus Geoinformationssystemen (GIS) mit Verfahren der objektorientierten Bildanalyse (OBIA: Object Based Image Analysis).
Teil 1) Prozessierung Basisdaten ("R" & ESRI ArcGIS)
Aus den folgenden Punktwolken (XYZ) mit 0,5m Auflösung wurden in einem ersten Bearbeitungsschritt gleichmäßige Raster generiert.
- Digitales Geländemodell DGM (aus Laserscan-Daten)
- Digitales Oberflächenmodell DOMB (photogrammetrische Auswertung)
- Subtraktion der Raster für Höhe über Geländeoberfläche (nDOM)
- Generierung von Mittelachsen der Verkehrswege
Teil 2) Bildanalyse (Trimble eCognition)
Im Gegensatz zur klassischen, pixelbasierten Vorgehensweise werden bei der objektorientierten Bildanalyse zusammenhängende Pixel mit ähnlichen Eigenschaften zu Pixelgruppen zusammengefasst (segmentiert) und anschließend als Objekt klassifiziert.
Beide Arbeitsschritte lassen sich zu einer verschachtelten Prozesskette (=Algorithmus) weiterentwickeln. Das Ergebnis ist ein komplexer, aber leicht anpassbarer Vorgang der Entscheidungsfindung.
Dieses Zwischenergebnis grenzt in erster Linie die aufragende Vegetation von der sonstigen Umgebung ab. Es dient als Grundlage für eine erste Klassifizierung nach der Definition für Landschaftselemente sowie für die Berechnung der Verbuschungsanteile auf Geometrien der Biotopkartierung.
Abb. 1: Prozesskette zur automatisierten Erfassung von 3D-Vegetation
Teil 3) Abschließende Arbeiten (ESRI ArcGIS)
Da die Prozessierung kachelweise auf Basis der Ausdehnung der Luftbilder (2x2km) basiert, muss für eine fehlerfreie Klassifizierung an bzw. zwischen den Kachelgrenzen gesorgt werden.
Um auch komplexe und wenig eindeutige Formen zu klassifizieren, wurden in Python eigene Entwicklungen in die Prozesskette integriert. Diese überprüfen die Zugehörigkeit zu LE-Klassen über exakte Längen- und Breitenmessungen oder die Bestimmung von Nachbarschaftsverhältnissen.
Die Ziele und Kriterien, die bei der Entwicklung der Methoden angestrebt wurden, konnten vollständig erreicht werden, insbesondere bzgl. eines vollautomatisierten Erfassungs- und Klassifikationsverfahrens, angepasst an die Erfordernisse und Vorgaben im Kontext EU-Cross Compliance:
- sichere Methodik durch bewährte Datengrundlagen und möglichst einfachen Ansatz
- Wiederverwendbarkeit: Regelmäßige Updates für Change Detection und Monitoring
- überregional anwendbar: Flächendeckende Bearbeitung großer Räume
- verlässlich und performant: Landesfläche RLP (19.000 km²) binnen weniger Wochen
- flexibel und erweiterbar: Änderungen von Vorgaben oder neue Fragestellungen können integriert und umgesetzt werden
- landesweites flächendeckendes Kataster im Kontext: EU-Cross Compliance
- interoperabel: durch Erfassungsmaßstab und Objektorientierung integrierbar in offizielle Verwaltungsabläufe bzw. offizielle Datenbestände
Dies wurde auch auf Bundesebene bei der Verleihung des GIS Best Practice Award so bewertet.
Projektbedeutung für die Automatisierung von Verwaltungsabläufen
Die automatisierte Erfassung und fachanwendungsspezifische Klassifikation der dreidimensionalen Vegetationsstrukturen als Verbuschungsanteile und als Landschaftselemente nach Cross Compliance (ALEK) sind vollautomatische Klassifikationsverfahren, die außerhalb von Testbedingungen einsetzbar sind und flächendeckend befriedigende, vollständig den Vorgaben entsprechende Ergebnisse liefern. Zusätzlich wurden effiziente Methoden geschaffen, Veränderungsdokumentationen standardisiert und auf Objekteebene durchführen zu können und so in regelmäßigen Abständen die EU-Berichtspflichten zu erfüllen. Erreicht wurde das durch die Verbindung von GIS- und OBIA-Funktionalitäten in einer einzelnen Prozesskette.
Die automatisierte Erfassung von Verbuschungsanteilen auf ausgewählten Biotopflächen ermöglicht die räumlich und fachlich differenzierte Ableitung von Handlungsempfehlungen.
In Abbildung 2 sind beispielhaft unterschiedlich stark verbuschte Flächen des Biotopkatasters dargestellt, deren aktueller Verbuschungsanteil den angegebenen Biotoptypen nicht mehr entspricht. In einem zweiten Schritt können nun entweder die Biotoptypen automatisiert auf Grund des Verbuschungsanteiles im Kataster geändert oder angepasste Pflegemaßnahmen beauftragt werden, wie in Abb. 3 für den gewählten Ausschnitt dargestellt ist.